Polyamorie - Ein Ratgeber über die Liebe mit Vielen
Kirche und Staat stützen die Einfachliebe, also die Liebesbeziehung von genau zwei Menschen zueinander. Dabei werden auch die
gleichgeschlechtlichen 1-zu-1 Beziehungen in moderneren Staaten langsam aber stetig in die soziale Akzeptanz geführt. Immerhin.
Aber die Liebe mehrerer Personen zueinander, also die Polyamorie, ist ein ganz anderes Thema, das bei Kirche und Staat
sicher noch nicht angekommen ist und auch in modernen Gesellschaften einige Herausforderungen bezüglich der Akzeptanz bergen dürfte.
Ganz sicher ist die Polyamory noch längst nicht in der "gesellschaftlichen Mitte" angekommen. Wir haben uns mit dem Thema näher
beschäftigt und die wichtigsten Infos zusammengetragen.
Inhaltsverzeichnis
01. Was heißt Polyamorie?
02. Was ist das?
03. Seit wann gibt es die 'Liebe der Vielen'?
04. Was sind die Prinzipien der Polyamorie?
05. Wie lebt man polyamor?
06. Symbole und spezielle Begriffe
07. Beziehungen von Polyamoren und Nicht-Polyamoren
08. Berühmte Beispiele
01. Was heißt Polyamorie?
Polyamorie ist ein Kunstwort (griech. poly = mehrere, lat. amor = Liebe) das mehrere gleichzeitige Liebesbeziehungen - unter dem Wissen und Einverständnis aller beteiligten Personen - beschreibt. Polyamorie muss dabei von Monogamie abgegrenzt werden. Während sich Monogamie auf die Ehe mit nur einem Partner bezieht (griech. gamos = Ehe), ist die Ehe in der Polyamorie kein angestrebtes oder notwendiges Ziel. Polyamorie sieht sich frei von gesellschaftlichen Normen oder Institutionen, wie der Ehe. Dementsprechend wird das Wort Polygamie, also die Vielehe, fälschlich als Synonym für Polyamorie verwendet. Eigentlich müsste Monoamorie als Gegensatz für die Polyamorie verwendet werden, aber klassisch werden die Begriffe Monogamie und Polyamorie verwendet.
02. Was ist das?
Als Polyamorie oder Polyamory (engl.) bezeichnet man Liebesbeziehungen
zwischen mehreren Partnern. Fester Bestandteil der Polyamory ist also die
Liebe Das bedeutet, dass es bei Polyamory nicht (vorrangig) um Sexualität und
sexuelle Intimität geht, sondern um eine vertrauensvolle Liebe und Nähe
zwischen den Partnern. Das grenzt polyamore Beziehungsformen beispielsweise
meist von Swingern ab, wobei auch dieses Beziehungskonstrukt in das Prinzip
der Polyamorie passen kann. Anders als bei Seitensprüngen ist das Wissen aller
Beteiligten um die anderen Beteiligten der Parnerschaft essenziell, da
Vertrauen und Offenheit eine große Rolle spielen. Demnach darf oder sollte in
einer polyamoren (auch: polyamourösen) Beziehungsform kein Partner/ Affaire
verschwiegen werden.
Sexualität, Intimität und Liebe gehen bei der Polyamorie wie bei der Monogamie
Hand in Hand. Das bedeutet, dass Sex nicht im Vordergrund steht, aber wie bei
jeder liebevollen Beziehung ein wichtiger Teil ist. Es gibt auch polyamore
Beziehungsformen, bei denen ein Partner als Beziehungspartner angesehen wird,
aber dieser sexuell nicht beteiligt ist. Andersherum gibt es ebenfalls
polyamore Beziehungen, die Sex (ohne Liebe) mit anderen Partnern "erlauben".
Die Grundannahme der Polyamorie ist, dass es möglich ist für mehr als eine
Person Liebe zu empfinden. Dabei gibt es ganz verschiedene
Liebeskonstellationen. Das kann von einer klassischen Parnerschaft von zwei
Partnern, über eine erweiterte Beziehung (beispielsweise Sex mit einer
weiteren Person) bishin zu festen Verbindungen von drei, vier oder mehr
Partnern untereinander gehen. Solche festen Polyamorie-Beziehungen beinhalten
dann das gemeinsame Wohnen und oft auch Kinder. Solche familiären
Konstellationen sind Regenbogenfamilien sehr ähnlich.
03. Seit wann gibt es die 'Liebe der Vielen'?
Das Konzept der Polyamory entstand in den 1960er Jahren mit der Idee der
"Freien Liebe". Es wurde zu der Zeit "responsible nonmonogamy" genannt. Aber
bereits früher gab es ähnliche Ideen in Beziehungen. Ein Beispiel dafür waren
die "Zufallslieben" der französischen Schriftsteller Jean-Paul Satre und
Simone de Beauvoir. Dennoch ist "Freie Liebe" von der Polyamorie abzugrenzen,
da es in der ersteren nicht so stark um Transparenz und den Umgang mit
Emotionen ging, wie bei der Polyamorie. Das Wort "Polyamory" wurde 1990 mit
dem Artikel "Ein Blumenstrauß von Geliebten" populär.
Polyamorie oder Polyamory ist größtenteils im Internet ein Begriff. Es gibt
viele Foren und Blogs zu dem Thema. Dort tauschen sich Menschen in polyamoren
Beziehungen ("Polys" genannt) über ihr Leben aus. Das können Probleme oder
Tipps für die Partnerschaft sein, genauso wie Diskussionen über die
Beziehungsform an sich.
04. Was sind die Prinzipien der Polyamorie?
Polyamorie basiert auf der wissentlichen Liebe mehrerer Personen innerhalb
einer Partnerschaft. Um eine solche Partnerschaft aufzubauen bzw. zu erhalten,
gibt es verschiedene Werte, auf die gesteigerten Wert gelegt werden.
Ehrlichkeit ist einer der Grundpfeiler solcher Beziehungen. So soll der
gegenseitige Respekt der Partner sichergestellt und eine stetige
Offenheit in Bezug auf die Partnerschaft gewährleistet werden. Dazu dienen
eine offene und stetige Kommunikation über alle Bereiche. Dadurch soll
vermieden werden, dass einer der Partner verletzt wird. Dementsprechend
gehören geheime One-Night-Stands oder Affairen nicht zu polyamoren
Beziehungen. Polyamorie setzt viel Wert darauf, dass die Liebe von mehreren im
Konsens entsteht und keinesfalls ein "Betrügen" oder "Fremdgehen" oder
"Untreue" darstellt. Auch sollte Konsens über alle Entscheidungen gepflegt
werden und nicht einer die gesamte Stimmgewalt haben. Ein Mitspracherecht von
Jedem bei Allem ist daher essenziell. Das soll auch Helfen, um Eifersucht
nicht entstehen zu lassen, bzw. zu bekämpfen.
Treue ist ein weiteres, wichtiges Prinzip. Dabei wird Treue nicht als sexuelle
Exklusivität angesehen, sondern vielmehr als Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und
Wohlwollen dem Partner gegenüber. Eine gewisse Hingabe (engl. commitment)
schließt dieses Prinzip mit ein. Das heißt, dass man für die Verbindung
arbeitet und sich ihr hingibt, auch wenn (später) eine Neue hinzukommt. So
soll verhindert werden, dass sich der eine oder andere Partner vernachlässigt
fühlt oder Eifersucht empfindet. Auch hierbei ist viel Kommunikation nötig,
damit solche Themen offen angesprochen werden können.
Außerdem sind polyamore Beziehungen, genau wie monogame, auf Langlebigkeit
ausgerichtet. Das heißt, dass man versucht die Liebe auf Jahre, Jahrzehnte
oder ein ganzes Leben auszurichten.
Abgesehen von diesen Hauptprinzipien, auf die sich alle polyamoren Beziehungen
berufen, gibt es je nach Belieben natürlich ganz einzigartige Übereinkünfte
und Konstellationen. So kann auch Swingen (d.h. kurzzeitige sexuelle
Partnerschaft mit Anderen) ein Teil einer polyamoren Partnerschaft sein, je
nachdem, was man möchten.
05. Wie lebt man polyamor?
Es gibt verschiedene Beziehungskonstellationen. Die vier größten Gruppen sind
primäre, sekundäre und tertiäre Beziehungen und Poly-Singles.
Primäre Beziehung: Das ist die Beziehung, die man zu seinem Hauptpartner hat.
Das bedeutet, dass man mit diesem Partner zusammen lebt, die Finanzen zusammen
regelt, vielleicht sogar verheiratet ist oder Kinder hat, das Jahr zusammen
plant. Diese Verbindung ist die Wichtigste. Es gibt auch Polys, die (auf Zeit)
nur eine primäre Beziehung zu einem Partner haben und quasi monogam leben, der
Polyamorie gegenüber aber offen sind. Die meisten primären Beziehungen kann
man von außen nicht von Traditionellen unterscheiden.
Sekundäre Beziehung: Das sind langfristige Beziehungen zu anderen Partnern,
neben dem Hauptpartner. Hierbei gilt wie immer Offenheit und Transparenz. Es
gibt ebenfalls polyamore Beziehungen, bei denen nur einer der Partner
sekundäre Beziehungen hat, von denen der andere Partner natürlich weiß.
Sekundäre Beziehungen sind nicht so bedeutend, wie primäre und sollten diese
auch niemals gefährden. Aber genau wie die Hauptbeziehung können sie
lebenslang andauern. Sie haben nur nicht den gleichen Stellenwert, das heißt,
dass die Partner nicht zusammen leben, keine Kinder haben und getrennte
Finanzen haben. Dafür können regelmäßige Treffen der Partner oder gemeinsame
Urlaube geplant sein.
Tertiäre Beziehung: Sie sind meist von lockerer Natur. Sie können auch über
Jahre dauern, aber schließen meist nur ein paar Treffen im Jahr ein. Außerdem
herrschen hier geringere Verpflichtungen, als bei den anderen Beziehungen.
Ostmals werden "Affairen" darunter gezählt.
Poly-Singles: Poly-Singles sind Polys, die keine primäre Beziehung haben,
dafür Sekundäre und Tertiäre. Das heißt, sie leben alleine und sind auch sonst
nur sich verpflichtet, verkehren aber mit mehreren sekundären und tertiären
Partnern, die alle voneinander wissen. Aus diesen lockeren Beziehungen können
natürlich Primäre entstehen. Auch kann der Lebensstil eines Poly-Singles ein
"Einstieg" in die Welt der Polyamorie für einen "Mono" (einen monogam bzw.
monoamor lebenden Menschen) darstellen.
Es gibt aber auch Mischformen, oder Gruppen-Beziehungen, in denen es keine
sekundären oder tertiären Beziehungen gibt, sondern nur Primäre. Diese sind
meist unter dem Begriff "polyfidelity" also "Treue unter mehreren" bekannt.
Manchmal wird Polyfidelity auch als Synonym für Polyamory benutzt. Wie bei
monogamen Beziehungen auch, gilt der Leitsatz "Es ist alles erlaubt, was
gefällt".
Polyamore Partnerschaftensind meistens geregelter, als monogame. Das liegt
darin begründet, dass die Wünsche und Forderungen von mehreren Personen in
Einklang gebracht werden müssen. Das heißt, es muss geklärt werden, wer Teil
der Partnerschaft ist und wer welche Rechte und Pflichten hat. Außerdem muss
geklärt werden, in wie weit sekundäre oder tertiäre Beziehungen gepflegt
werden. Letztendlich muss die Dimension der Partnerschaft abgesteckt werden.
Und da dies nur mit dem Einverständnis aller geschehen kann, sind besonders zu
Anfang solcher Beziehungen viele Gespräche vonnöten.
Wenn die Partner zusammen wohnen, gibt es meist feste Rollenbilder innerhalb
der Familie, vor allem bei der Kindererziehung. So können beispielsweise die
leiblichen Eltern die Kindererziehung übernehmen, oder auch die Gesamtheit der
Partner zusammen. Ob und wie die Polyamorie nach Außen getragen wird, hängt
von der speziellen Beziehung ab.
06. Symbole und spezielle Begriffe
Polyamorie wird verschieden symbolisiert. Es gibt eine blau-rot-schwarze
Flagge mit einem Zeichen, dem goldenen Pi, in der Mitte. Das Blau symbolisiert
die Offenheit und Ehrlichkeit, das Rot die Liebe und Leidenschaft und Schwarz
steht für die Solidarität mit anderen Polyamoren, die auf Grund
gesellschaftlichen Drucks nicht so leben können. Der griechische Buchstabe Pi
steht für den Anfangsbuchstaben von Polyamory und seine goldene Farbe
symbolisiert den hohen Wert, der auf innige, liebevolle Partnerschaften gelegt
wird. Die gleiche Symbolik findet sich auch in Form einer Schleife (ähnlich
der Aids-Schleife). Außerdem wird ein blau-roter Papagei (engl. Polly) mit der
Polyamorie assoziiert.
Innerhalb der Polyamorie haben sich einzigartige Begriffe entwickelt, um die
besondere Situation der polyamourösen Verbindungen benennen zu können.
"Mitfreude" ist ein zentraler Begriff. Mitfreude wird als Gegensatz der
Eifersucht gesehen und beruht auf der Fähigkeit zur Empathie. Mitfreude
betitelt das Gefühl, das jemand empfindet, wenn der Partner durch jemand
anderen Liebe und Glück erfährt. Der Zustand, Mitfreude zu empfinden, wird
auch "frubbelig" genannt. "Ich bin frubbelig" (oder auch "ich bin ein
Frubbel") bedeutet so viel wie "Ich freue mich für meinen Partner, dass er
Liebe und Glück von einem anderen Menschen erfährt".
07. Beziehungen von Polyamoren und Nicht-Polyamoren
Partnerschaften zwischen Polys und Monos können sehr gut funktionieren, sind aber oftmals nicht einfach. Das liegt an einem unterschiedlichen Verständnis von Liebe und Treue. Für viele Monogame ist es schwer, sich an andere Schemata der Liebe zu gewöhnen. Solche Partnerschaften können mit viel Beziehungsarbeit und Kommunikation sehr gut funktionieren, aber viele scheitern auch, wenn beispielsweise ein Partner nicht mit einbezogen wird, d.h. kein Stimmrecht hat, oder die anderen Beziehungen geheim gehalten werden. Es gibt aber auch einige polyamore Beziehungen, bei denen ein Partner keine weiteren Beziehungen pflegt. In solchen Momenten sind diese Beziehungen einfacher, da beide Partner einen Konsens über den Stellenwert und Art von Liebe, Sex und Beziehung haben.
08. Berühmte Beispiele
Es ist nicht immer genau zu belegen, aber viele berühmte Schriftsteller und Denker lebten polyamourös. Beispiele dafür sind der deutsche Dramatiker Berthold Brecht, die britische Schriftstellerin Virginia Woolfe, der schweizer Lyriker Rainer Maria Rilke und der französische Autor der Aufklärung Voltaire. Alle lebten in festen Parnerschaften und hatten mehr oder weniger feste Liebschaften nebenher. Viele von diesen Liebschaften gingen über viele Jahre und waren dem festen Partner bekannt.
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