Polyamorie - Ein Ratgeber über die Liebe mit Vielen

Polyamorie Bild Kirche und Staat stützen die Einfachliebe, also die Liebesbeziehung von genau zwei Menschen zueinander. Dabei werden auch die gleichgeschlechtlichen 1-zu-1 Beziehungen in moderneren Staaten langsam aber stetig in die soziale Akzeptanz geführt. Immerhin. Aber die Liebe mehrerer Personen zueinander, also die Polyamorie, ist ein ganz anderes Thema, das bei Kirche und Staat sicher noch nicht angekommen ist und auch in modernen Gesellschaften einige Herausforderungen bezüglich der Akzeptanz bergen dürfte. Ganz sicher ist die Polyamory noch längst nicht in der "gesellschaftlichen Mitte" angekommen. Wir haben uns mit dem Thema näher beschäftigt und die wichtigsten Infos zusammengetragen.

Inhaltsverzeichnis

01. Was heißt Polyamorie?
02. Was ist das?
03. Seit wann gibt es die 'Liebe der Vielen'?
04. Was sind die Prinzipien der Polyamorie?
05. Wie lebt man polyamor?
06. Symbole und spezielle Begriffe
07. Beziehungen von Polyamoren und Nicht-Polyamoren
08. Berühmte Beispiele

01. Was heißt Polyamorie?


Interessantes Interview der Österreicherin Sandra Raunigg (www.totalversext.com) mit Manuela, die seit zwei Jahren in einer polyamoren Beziehung lebt. Interessante Innensicht einer Dame, die aktiv im Zustand der Polyamorie lebt. Übrigens wird hier klar zwischen Polyamorie und der "offenen Beziehung" abgegrenzt: Letztere, so Manuela, habe eher Sex zum Inhalt, während die Polyamorie - wie es bereits im Namen steckt - ihren Fokus auf der (Vielfach-)Liebe hat.

02. Was ist das?

Als Polyamorie oder Polyamory (engl.) bezeichnet man Liebesbeziehungen zwischen mehreren Partnern. Fester Bestandteil der Polyamory ist also die Liebe Das bedeutet, dass es bei Polyamory nicht (vorrangig) um Sexualität und sexuelle Intimität geht, sondern um eine vertrauensvolle Liebe und Nähe zwischen den Partnern. Das grenzt polyamore Beziehungsformen beispielsweise meist von Swingern ab, wobei auch dieses Beziehungskonstrukt in das Prinzip der Polyamorie passen kann. Anders als bei Seitensprüngen ist das Wissen aller Beteiligten um die anderen Beteiligten der Parnerschaft essenziell, da Vertrauen und Offenheit eine große Rolle spielen. Demnach darf oder sollte in einer polyamoren (auch: polyamourösen) Beziehungsform kein Partner/ Affaire verschwiegen werden.

Sexualität, Intimität und Liebe gehen bei der Polyamorie wie bei der Monogamie Hand in Hand. Das bedeutet, dass Sex nicht im Vordergrund steht, aber wie bei jeder liebevollen Beziehung ein wichtiger Teil ist. Es gibt auch polyamore Beziehungsformen, bei denen ein Partner als Beziehungspartner angesehen wird, aber dieser sexuell nicht beteiligt ist. Andersherum gibt es ebenfalls polyamore Beziehungen, die Sex (ohne Liebe) mit anderen Partnern "erlauben".

Die Grundannahme der Polyamorie ist, dass es möglich ist für mehr als eine Person Liebe zu empfinden. Dabei gibt es ganz verschiedene Liebeskonstellationen. Das kann von einer klassischen Parnerschaft von zwei Partnern, über eine erweiterte Beziehung (beispielsweise Sex mit einer weiteren Person) bishin zu festen Verbindungen von drei, vier oder mehr Partnern untereinander gehen. Solche festen Polyamorie-Beziehungen beinhalten dann das gemeinsame Wohnen und oft auch Kinder. Solche familiären Konstellationen sind Regenbogenfamilien sehr ähnlich.

03. Seit wann gibt es die 'Liebe der Vielen'?

Das Konzept der Polyamory entstand in den 1960er Jahren mit der Idee der "Freien Liebe". Es wurde zu der Zeit "responsible nonmonogamy" genannt. Aber bereits früher gab es ähnliche Ideen in Beziehungen. Ein Beispiel dafür waren die "Zufallslieben" der französischen Schriftsteller Jean-Paul Satre und Simone de Beauvoir. Dennoch ist "Freie Liebe" von der Polyamorie abzugrenzen, da es in der ersteren nicht so stark um Transparenz und den Umgang mit Emotionen ging, wie bei der Polyamorie. Das Wort "Polyamory" wurde 1990 mit dem Artikel "Ein Blumenstrauß von Geliebten" populär.

Polyamorie oder Polyamory ist größtenteils im Internet ein Begriff. Es gibt viele Foren und Blogs zu dem Thema. Dort tauschen sich Menschen in polyamoren Beziehungen ("Polys" genannt) über ihr Leben aus. Das können Probleme oder Tipps für die Partnerschaft sein, genauso wie Diskussionen über die Beziehungsform an sich.

04. Was sind die Prinzipien der Polyamorie?

Polyamorie basiert auf der wissentlichen Liebe mehrerer Personen innerhalb einer Partnerschaft. Um eine solche Partnerschaft aufzubauen bzw. zu erhalten, gibt es verschiedene Werte, auf die gesteigerten Wert gelegt werden.

Ehrlichkeit ist einer der Grundpfeiler solcher Beziehungen. So soll der gegenseitige Respekt der Partner sichergestellt und eine stetige Offenheit in Bezug auf die Partnerschaft gewährleistet werden. Dazu dienen eine offene und stetige Kommunikation über alle Bereiche. Dadurch soll vermieden werden, dass einer der Partner verletzt wird. Dementsprechend gehören geheime One-Night-Stands oder Affairen nicht zu polyamoren Beziehungen. Polyamorie setzt viel Wert darauf, dass die Liebe von mehreren im Konsens entsteht und keinesfalls ein "Betrügen" oder "Fremdgehen" oder "Untreue" darstellt. Auch sollte Konsens über alle Entscheidungen gepflegt werden und nicht einer die gesamte Stimmgewalt haben. Ein Mitspracherecht von Jedem bei Allem ist daher essenziell. Das soll auch Helfen, um Eifersucht nicht entstehen zu lassen, bzw. zu bekämpfen.

Treue ist ein weiteres, wichtiges Prinzip. Dabei wird Treue nicht als sexuelle Exklusivität angesehen, sondern vielmehr als Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Wohlwollen dem Partner gegenüber. Eine gewisse Hingabe (engl. commitment) schließt dieses Prinzip mit ein. Das heißt, dass man für die Verbindung arbeitet und sich ihr hingibt, auch wenn (später) eine Neue hinzukommt. So soll verhindert werden, dass sich der eine oder andere Partner vernachlässigt fühlt oder Eifersucht empfindet. Auch hierbei ist viel Kommunikation nötig, damit solche Themen offen angesprochen werden können.

Außerdem sind polyamore Beziehungen, genau wie monogame, auf Langlebigkeit ausgerichtet. Das heißt, dass man versucht die Liebe auf Jahre, Jahrzehnte oder ein ganzes Leben auszurichten.

Abgesehen von diesen Hauptprinzipien, auf die sich alle polyamoren Beziehungen berufen, gibt es je nach Belieben natürlich ganz einzigartige Übereinkünfte und Konstellationen. So kann auch Swingen (d.h. kurzzeitige sexuelle Partnerschaft mit Anderen) ein Teil einer polyamoren Partnerschaft sein, je nachdem, was man möchten.

05. Wie lebt man polyamor?

Es gibt verschiedene Beziehungskonstellationen. Die vier größten Gruppen sind primäre, sekundäre und tertiäre Beziehungen und Poly-Singles.

Viel Liebe - Frau mit zwei Männern Primäre Beziehung: Das ist die Beziehung, die man zu seinem Hauptpartner hat. Das bedeutet, dass man mit diesem Partner zusammen lebt, die Finanzen zusammen regelt, vielleicht sogar verheiratet ist oder Kinder hat, das Jahr zusammen plant. Diese Verbindung ist die Wichtigste. Es gibt auch Polys, die (auf Zeit) nur eine primäre Beziehung zu einem Partner haben und quasi monogam leben, der Polyamorie gegenüber aber offen sind. Die meisten primären Beziehungen kann man von außen nicht von Traditionellen unterscheiden.

Sekundäre Beziehung: Das sind langfristige Beziehungen zu anderen Partnern, neben dem Hauptpartner. Hierbei gilt wie immer Offenheit und Transparenz. Es gibt ebenfalls polyamore Beziehungen, bei denen nur einer der Partner sekundäre Beziehungen hat, von denen der andere Partner natürlich weiß. Sekundäre Beziehungen sind nicht so bedeutend, wie primäre und sollten diese auch niemals gefährden. Aber genau wie die Hauptbeziehung können sie lebenslang andauern. Sie haben nur nicht den gleichen Stellenwert, das heißt, dass die Partner nicht zusammen leben, keine Kinder haben und getrennte Finanzen haben. Dafür können regelmäßige Treffen der Partner oder gemeinsame Urlaube geplant sein.

Tertiäre Beziehung: Sie sind meist von lockerer Natur. Sie können auch über Jahre dauern, aber schließen meist nur ein paar Treffen im Jahr ein. Außerdem herrschen hier geringere Verpflichtungen, als bei den anderen Beziehungen. Ostmals werden "Affairen" darunter gezählt.

Poly-Singles: Poly-Singles sind Polys, die keine primäre Beziehung haben, dafür Sekundäre und Tertiäre. Das heißt, sie leben alleine und sind auch sonst nur sich verpflichtet, verkehren aber mit mehreren sekundären und tertiären Partnern, die alle voneinander wissen. Aus diesen lockeren Beziehungen können natürlich Primäre entstehen. Auch kann der Lebensstil eines Poly-Singles ein "Einstieg" in die Welt der Polyamorie für einen "Mono" (einen monogam bzw. monoamor lebenden Menschen) darstellen.

Es gibt aber auch Mischformen, oder Gruppen-Beziehungen, in denen es keine sekundären oder tertiären Beziehungen gibt, sondern nur Primäre. Diese sind meist unter dem Begriff "polyfidelity" also "Treue unter mehreren" bekannt. Manchmal wird Polyfidelity auch als Synonym für Polyamory benutzt. Wie bei monogamen Beziehungen auch, gilt der Leitsatz "Es ist alles erlaubt, was gefällt".

Polyamore Partnerschaftensind meistens geregelter, als monogame. Das liegt darin begründet, dass die Wünsche und Forderungen von mehreren Personen in Einklang gebracht werden müssen. Das heißt, es muss geklärt werden, wer Teil der Partnerschaft ist und wer welche Rechte und Pflichten hat. Außerdem muss geklärt werden, in wie weit sekundäre oder tertiäre Beziehungen gepflegt werden. Letztendlich muss die Dimension der Partnerschaft abgesteckt werden. Und da dies nur mit dem Einverständnis aller geschehen kann, sind besonders zu Anfang solcher Beziehungen viele Gespräche vonnöten.

Wenn die Partner zusammen wohnen, gibt es meist feste Rollenbilder innerhalb der Familie, vor allem bei der Kindererziehung. So können beispielsweise die leiblichen Eltern die Kindererziehung übernehmen, oder auch die Gesamtheit der Partner zusammen. Ob und wie die Polyamorie nach Außen getragen wird, hängt von der speziellen Beziehung ab.

06. Symbole und spezielle Begriffe

Polyamorie wird verschieden symbolisiert. Es gibt eine blau-rot-schwarze Flagge mit einem Zeichen, dem goldenen Pi, in der Mitte. Das Blau symbolisiert die Offenheit und Ehrlichkeit, das Rot die Liebe und Leidenschaft und Schwarz steht für die Solidarität mit anderen Polyamoren, die auf Grund gesellschaftlichen Drucks nicht so leben können. Der griechische Buchstabe Pi steht für den Anfangsbuchstaben von Polyamory und seine goldene Farbe symbolisiert den hohen Wert, der auf innige, liebevolle Partnerschaften gelegt wird. Die gleiche Symbolik findet sich auch in Form einer Schleife (ähnlich der Aids-Schleife). Außerdem wird ein blau-roter Papagei (engl. Polly) mit der Polyamorie assoziiert.

Innerhalb der Polyamorie haben sich einzigartige Begriffe entwickelt, um die besondere Situation der polyamourösen Verbindungen benennen zu können. "Mitfreude" ist ein zentraler Begriff. Mitfreude wird als Gegensatz der Eifersucht gesehen und beruht auf der Fähigkeit zur Empathie. Mitfreude betitelt das Gefühl, das jemand empfindet, wenn der Partner durch jemand anderen Liebe und Glück erfährt. Der Zustand, Mitfreude zu empfinden, wird auch "frubbelig" genannt. "Ich bin frubbelig" (oder auch "ich bin ein Frubbel") bedeutet so viel wie "Ich freue mich für meinen Partner, dass er Liebe und Glück von einem anderen Menschen erfährt".

07. Beziehungen von Polyamoren und Nicht-Polyamoren

Partnerschaften zwischen Polys und Monos können sehr gut funktionieren, sind aber oftmals nicht einfach. Das liegt an einem unterschiedlichen Verständnis von Liebe und Treue. Für viele Monogame ist es schwer, sich an andere Schemata der Liebe zu gewöhnen. Solche Partnerschaften können mit viel Beziehungsarbeit und Kommunikation sehr gut funktionieren, aber viele scheitern auch, wenn beispielsweise ein Partner nicht mit einbezogen wird, d.h. kein Stimmrecht hat, oder die anderen Beziehungen geheim gehalten werden. Es gibt aber auch einige polyamore Beziehungen, bei denen ein Partner keine weiteren Beziehungen pflegt. In solchen Momenten sind diese Beziehungen einfacher, da beide Partner einen Konsens über den Stellenwert und Art von Liebe, Sex und Beziehung haben.

08. Berühmte Beispiele

Es ist nicht immer genau zu belegen, aber viele berühmte Schriftsteller und Denker lebten polyamourös. Beispiele dafür sind der deutsche Dramatiker Berthold Brecht, die britische Schriftstellerin Virginia Woolfe, der schweizer Lyriker Rainer Maria Rilke und der französische Autor der Aufklärung Voltaire. Alle lebten in festen Parnerschaften und hatten mehr oder weniger feste Liebschaften nebenher. Viele von diesen Liebschaften gingen über viele Jahre und waren dem festen Partner bekannt.

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